»WISSENSCHAFT IM ZENTRUM«

Dr. Ehrentreich-Förster im Interview

PNN Sonderbeilage /

»Erreger unschädlich machen«

Dr. Eva Ehrenteich-Förster vom Fraunhofer IZI-BB im Gespräch über die Entwicklung von Corona-Tests und die Erforschung von Schneealgen und Mikroplastik

Auf der Spur der Erreger. Dr. Eva Ehrenteich-Förster leitet den Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie. Sie erforscht, wie Krankheitskeime abgetötet werden können oder wie sich Mikroplastik auf Spargelfeldern ausbreitet.
© Fraunhofer IZI-BB, Foto: Martina Steude
Auf der Spur der Erreger. Dr. Eva Ehrenteich-Förster leitet den Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie. Sie erforscht, wie Krankheitskeime abgetötet werden können oder wie sich Mikroplastik auf Spargelfeldern ausbreitet.

Frau Dr. Ehrentreich-Förster, an Ihrem Institut gibt es mehrere Projekte zum Sars-Cov2-Virus. Was wird erforscht? Es gibt inzwischen fünf Projekte! Die ersten beiden gehören zum Anti-Corona-Programm der Fraunhofer-Gesellschaft, das im April ins Leben gerufen wurde. Eins davon untersucht mithilfe einer neuen Technologie die Bindestellen zwischen Antikörpern und Viren. Das andere nutzt die zellfreie Biosynthese-Technologie unseres Hauses, um virale Proteine als Hilfsmittel für die Diagnostik und Therapie künstlich herzustellen. Damit gibt man der Forschung ein Werkzeug an die Hand, um Arbeiten am echten Virus zu umgehen, die hohe Sicherheitsvorkehrungen erfordern.

Und die anderen drei Projekte? Da geht es einerseits um die Entwicklung von Schnelltest-Systemen, andererseits darum, Oberflächen so zu verändern, dass das Virus auf dem Weg zum Menschen abgetötet wird. Die Covid-Projekte ziehen sich durch alle wissenschaftlichen Säulen unseres Hauses.

Inwiefern spielen Ihre früheren Forschungen zu Influenza, aber auch zukünftige Pandemien eine Rolle? Sars-Cov2 ist für uns ein unbekanntes Virus, aber eines unter vielen. Wir haben viel Erfahrung darin, Erreger auf miniaturisierten Systemen nachzuweisen, zu analysieren und unschädlich zu machen. Bei uns läuft es in Projekten sehr oft auf eine Testentwicklung hinaus.

Bei Ihnen gibt es außer der Medizin und Tiergesundheit auch die Geschäftsfelder Ernährung und Lebensmittelsicherheit, Kosmetik und Umwelt. Spielen Viren, Bakterien und Pilze überall eine Hauptrolle? Ja, zwangsläufig, denn es gibt sie überall als potenzielle Krankheitserreger. Wir weisen Viren, Bakterien und Pilze – aber auch Medikamente oder Toxine – nach, die sich in Materialien, auf Oberflächen, in der Luft oder im Wasser befinden.

In Ihrer eigenen Abteilung forschen Sie über die Keimlast-Reduktion. Können Sie an diesem Beispiel die Zusammenarbeit im Institut skizzieren? Wir sind ein interdisziplinär aufgestelltes Institut. Bei mir in der Abteilung geht es beispielsweise darum, die Krankheitskeime einzudämmen oder abzutöten und gleichzeitig die guten am Leben zu lassen. Den Nachweis der Krankheitskeime erbringt die Arbeitsgruppe für Sensorik. Eine andere Arbeitsgruppe entwickelt antimikrobielle Peptide – und zwar so, dass nur die guten Keime am Leben bleiben. Und die werden auf die Flächen, wo vorher die Keime nachgewiesen wurden, losgelassen. Am Ende wird überprüft, ob die Keimlast reduziert werden konnte.

Was passiert danach? Sie betreiben ja angewandte Forschung. Der Anwender oder Kunde bekommt ein Mittel an die Hand, das wirkt. Denken Sie an Türklinken in öffentlichen Gebäuden. Unser Ansatz wäre hier, diese mit einer Oberfläche zu versehen, die abtötend auf Krankheitskeime wirkt.

Angewandte Forschung bedeutet auch, Geräte wie Faserfluoreszenzsensoren oder Pipettier-Roboter zu entwickeln. Das klingt sehr speziell und sehr teuer. Nein, das ist zwar speziell, aber nicht teuer. Unser Anliegen ist, Bakterien oder Viruspartikel in Flüssigkeiten wie Wasser, Blut, Milch oder auch in Lebensmitteln oder Cremes nachzuweisen. Der Nachweis im Labor ist aufwändig und dauert lange. Wir versuchen, die Geräte so zu machen, dass ein Kunde, der damit nichts zu tun hat, sie so beherrschen kann wie eine Küchenmaschine.

Sie arbeiten im Auftrag von Firmen oder forschen gemeinsam mit Kliniken und Stiftungen. Welches Interesse hat ein Partner wie die Bundesdruckerei an einer Zusammenarbeit? Hier geht es zum Beispiel darum, die Oberfläche von Geldscheinen so zu verändern, dass sie keine Überträger von Keimen mehr sind. Wir denken auch über Spiel- oder Fahrscheinautomaten im ÖPNV nach. Was passiert, wenn ich einen Geldautomaten anfasse? Wie oft putzt den jemand? Die größte Keimlast im Zug hat der Sitz – und nicht die Toilette.

Sie werden nur teilweise von Bund und Ländern finanziert. Aufträge aus der Industrie spielen eine wichtige Rolle. Inwiefern besteht die Gefahr, dass Ihre Forschung durch wirtschaftliche Interessen bestimmt wird? Es ist richtig, dass Aufträge aus der Industrie eine Hauptsäule der Fraunhofer-Forschung ausmachen und somit oberste Priorität haben. Aber wir sind uns unserer Verantwortung als Wissenschaftler sehr bewusst und betrachten Aufträge auch unter ethisch-moralischen und gesellschaftlichen Aspekten.

Was hat es mit der Schneealgen-Sammlung Ihres Hauses auf sich? Das Steckenpferd des damaligen Institutsleiters. Die große, vielleicht sogar einzigartige Stammsammlung von Kryo-Algen geht auf Expeditionen in Grönland zurück. Diese Algen sind unter extremen Bedingungen sehr widerstandsfähig. Einige waren sogar im Weltall, auf der Außenseite der ISS. Forschende aus aller Welt bestellen bei unserer Sammlung Algen.

Aber auch die Kosmetikindustrie interessiert sich dafür. Warum das? Schneealgen sind Süßwasser-Mikroalgen. Weil sie einem Dauerstress aus Kälte und Sonnenmangel ausgesetzt sind, haben sie besondere Enzyme entwickelt. Diese gelten als hochwertiger Bestandteil von Kosmetik- Cremes.

Außer Covid-19 haben Sie ein weiteres aktuelles Thema auf der Agenda: Mikroplastik in Ackerböden und Pflanzen. Beide Projekte sind im landwirtschaftlich geprägten Brandenburg von Interesse und werden von dort gefördert. Wie breitet sich Mikroplastik etwa durch die Folien über den Spargelfeldern im Boden und Wasser aus? Was passiert mit Mikroplastik in den Pflanzen?

Was sind die Vor- und Nachteile, wenn man so aktuell forscht? Man wird wahrgenommen. Man kommt mit der Bevölkerung ins Gespräch und kann einer gewissen Forschungs- und Wissenschaftsmüdigkeit entgegenwirken. Der Nachteil ist, dass Themen wie Nanotechnologie oder Biosensorik eine Zeitlang in Mode sind – das große Interesse aber irgendwann stark nachlässt.

Das Gespräch führte Isabell Fannrich-Lautenschläger